Hast du dich jemals gefragt, wie sehr unbewusste Vorurteile – sogenannte Unconscious Biases – deine Entscheidungen beeinflussen? Sie sind oft schwer zu erkennen. Dennoch spielen sie eine große Rolle in unserem Alltag, besonders in der Arbeitswelt. In der neuesten Folge des „FRAU FÜHRT Talk“-Podcasts spreche ich, Iris Middelhove, mit Dorothee Ebert. Sie ist eine erfahrene Unternehmensberaterin und Autorin. Sie hat sich intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt und das sehr pointierte Buch „Nie mehr Ladies First“ veröffentlicht. In diesem Buch nimmt sie auf humorvolle und gleichzeitig fundierte Weise unsere Unconscious Biases unter die Lupe. Ihr Ziel? Frauen wie Männer zu ermutigen, sich der unbewussten Vorurteile bewusst zu werden und aktiv dagegen anzukämpfen. Im Gespräch teilt sie wertvolle Einblicke darüber, wie Unconscious Biases entstehen. Sie erklärt, wie wir sie gezielt erkennen und überwinden können.
Wenn du mehr darüber erfahren möchtest, wie du deine eigenen Biases erkennen und authentisch führen kannst, dann hör dir jetzt die vollständige Podcast-Folge an
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Was sind Unconscious Biases?
Definition und Erklärung:
Unconscious Biases sind unbewusste Vorurteile oder Stereotypen, die unsere Wahrnehmung, Entscheidungen und Handlungen beeinflussen, ohne dass wir uns ihrer bewusst sind. Diese Biases entstehen durch soziale, kulturelle und persönliche Erfahrungen und können sich auf alle Bereiche unseres Lebens auswirken – vom privaten Alltag bis hin zur beruflichen Karriere.
Ein erster Versuch: Stell dir bitte jetzt eine kleine Gruppe von 3 Piloten vor.
Bei der Vorstellung „Piloten“ denken viele Menschen automatisch an Männer. Ein typisches Beispiel für Unconscious Bias ist hier der Gender-Bias. Oft wird unbewusst angenommen, dass bestimmte Rollen oder Berufe eher für Männer oder Frauen geeignet sind. Diese Annahmen entstehen nicht aus bösem Willen, sondern aus tief verwurzelten gesellschaftlichen Stereotypen, die wir von klein auf erlernen.
Solche Vorurteile sind oft subtil und schwer zu erkennen, doch sie haben einen starken Einfluss auf unser Verhalten und unsere Entscheidungen. Besonders im beruflichen Kontext können Unconscious Biases weitreichende Konsequenzen haben. Sie können dazu führen, dass talentierte Frauen übersehen oder unterschätzt werden, wenn es um Führungspositionen geht, einfach weil sie nicht dem stereotypischen Bild einer Führungskraft entsprechen.
Warum ist es entscheidend, sich dieser Biases bewusst zu werden?
Die Bewusstmachung von Unconscious Biases ist der erste Schritt zur Veränderung. Indem wir uns unserer Vorurteile bewusst werden, schaffen wir die Grundlage dafür, sie zu hinterfragen und gezielt dagegen zu arbeiten. Dies ist besonders wichtig für Frauen in Führungspositionen oder auf dem Weg dorthin. Denn nur wenn wir uns der unbewussten Hindernisse bewusst sind, können wir sie auch überwinden.
Für Frauen in Führungsrollen bedeutet dies, dass sie sich nicht nur ihrer eigenen Biases bewusst werden müssen, sondern auch der Vorurteile, die ihnen möglicherweise entgegengebracht werden. Dieses Bewusstsein ermöglicht es ihnen, Strategien zu entwickeln, um diesen Biases entgegenzuwirken und ihre Führungsqualitäten klar und selbstbewusst zu zeigen.
Indem wir Unconscious Biases erkennen und bewusst gegensteuern, schaffen wir nicht nur gerechtere Arbeitsumfelder, sondern fördern auch eine Unternehmenskultur, in der Vielfalt und Inklusion tatsächlich gelebt werden.
Die häufigsten Mythen über Unconscious Bias
Mythos 1: „Unconscious Bias betrifft nur andere, nicht mich.“
Ein weit verbreiteter Glaube ist, dass Unconscious Bias nur ein Problem anderer Menschen ist und man selbst davon nicht betroffen ist. Viele glauben, dass sie aufgrund ihrer bewussten Bemühungen, fair und unvoreingenommen zu sein, keine unbewussten Vorurteile haben. Doch die Realität sieht anders aus. Jeder von uns, unabhängig von seiner persönlichen Einstellung oder seinen Werten, hat unbewusste Biases, die unser Verhalten beeinflussen können. Diese Vorurteile sind tief in unseren Denkprozessen verwurzelt und resultieren aus jahrelangen gesellschaftlichen Einflüssen, kulturellen Prägungen und persönlichen Erfahrungen.
Mythos 2: „Unconscious Bias hat keine großen Auswirkungen.“
Ein weiterer gängiger Mythos ist die Annahme, dass Unconscious Bias keine signifikanten Auswirkungen auf das tägliche Leben oder die berufliche Karriere hat. Viele Menschen glauben, dass solche unbewussten Vorurteile nur minimale, kaum wahrnehmbare Einflüsse haben und daher vernachlässigbar sind. Tatsächlich können Unconscious Biases jedoch tiefgreifende Konsequenzen haben, besonders im beruflichen Kontext. Sie können Entscheidungen beeinflussen, ohne dass wir es merken – von der Einstellung neuer Mitarbeiter über die Beförderung bis hin zur Bewertung von Leistungen.
Warum diese Mythen problematisch sind
Unconscious Bias betrifft uns alle:
Der Glaube, dass Unconscious Bias nur ein Problem der „anderen“ ist, verhindert, dass wir uns selbst kritisch hinterfragen. Diese Selbsttäuschung hält uns davon ab, unsere eigenen unbewussten Vorurteile zu erkennen. Dies ist besonders wichtig für Führungskräfte, die eine entscheidende Rolle dabei spielen, eine inklusive und faire Unternehmenskultur zu fördern. Wer sich für unvoreingenommen hält, läuft Gefahr, Entscheidungen zu treffen, die unbeabsichtigt diskriminierend oder unfair sind, was die Unternehmenskultur und das Teamklima negativ beeinflussen kann.
Die Auswirkungen sind real und erheblich:
Der Mythos, dass Unconscious Bias keine ernsthaften Konsequenzen hat, kann dazu führen, dass das Problem ignoriert oder heruntergespielt wird. In der Realität beeinflussen unbewusste Vorurteile unser Verhalten und unsere Entscheidungen auf vielfältige Weise. Ein Beispiel: Studien haben gezeigt, dass Menschen mit Namen, die in bestimmten Kulturen als fremd wahrgenommen werden, weniger Chancen haben, zu Vorstellungsgesprächen eingeladen zu werden. Ein weiteres Beispiel ist die Unterrepräsentation von Frauen in Führungspositionen, die teilweise auf unbewusste Vorurteile zurückzuführen ist, die Frauen als weniger durchsetzungsfähig oder kompetent betrachten.
Wie du deine eigenen Unconscious Biases erkennst
Praktische Selbstreflexion
Die Selbstreflexion ist der Schlüssel zur Erkennung deiner eigenen Unconscious Biases. Aber wie oft hinterfragst du wirklich deine Entscheidungen und Meinungen? Oft glauben wir, dass wir unvoreingenommen handeln, doch tief verwurzelte Vorurteile beeinflussen uns mehr, als wir denken.
Ein erster Schritt zur Selbstreflexion ist, dir bewusst Zeit zu nehmen, um über deine Gedanken und Handlungen nachzudenken. Frage dich zum Beispiel nach einem Meeting oder einer wichtigen Entscheidung:
- Warum habe ich diese Entscheidung getroffen?
- Wen habe ich bevorzugt oder übersehen?
- Welche Annahmen habe ich über die Personen in diesem Kontext gemacht?
Um deine eigenen Unconscious Biases besser zu verstehen, kannst du folgende Übungen ausprobieren:
- Bias-Checkliste führen: Schreibe dir in den nächsten Wochen Situationen auf, in denen du Entscheidungen triffst. Reflektiere danach, ob deine Wahl durch bestimmte Stereotypen oder Vorurteile beeinflusst wurde.
- Spiegel-Methode: Bitte eine vertrauenswürdige Kollegin oder einen Kollegen, deine Entscheidungen oder dein Verhalten zu hinterfragen. Eine externe Perspektive kann oft blinde Flecken aufdecken.
- Die „Warum“-Frage: Wenn du dich dabei ertappst, eine schnelle Entscheidung getroffen zu haben, halte inne und frage dich mindestens fünfmal „Warum?“. Diese Technik hilft, die tieferen Gründe für dein Handeln zu hinterfragen und unbewusste Vorurteile ans Licht zu bringen.
Selbstreflexion bedeutet auch, mutig genug zu sein, die eigenen Schwächen anzuerkennen. Unconscious Biases sind nichts, wofür man sich schämen sollte, aber es ist entscheidend, sie zu erkennen, um sie bewusst zu ändern.
Strategien zur Überwindung von Unconscious Bias
Nun, da du deine Unconscious Biases erkannt hast, stellt sich die Frage: Wie gehst du damit um? Wie kannst du aktiv gegensteuern?
Eine effektive Strategie beginnt mit kleinen, bewussten Änderungen in deinem Verhalten. Hier sind einige konkrete Ansätze, die du sofort im beruflichen Alltag umsetzen kannst:
- Bewusste Entscheidungsfindung:
Nimm dir bewusst Zeit für Entscheidungen, besonders bei wichtigen Themen wie Einstellungen oder Beförderungen. Erstelle objektive Kriterien, die deine Entscheidungen leiten, und überprüfe regelmäßig, ob du diesen Kriterien gefolgt bist. - Diversität fördern:
Diversität in Teams ist ein starkes Mittel, um Unconscious Biases zu minimieren. Unterschiedliche Perspektiven bereichern die Diskussion und helfen, blinde Flecken zu erkennen. Frage dich: Gibt es in deinem Team genug Vielfalt? Wenn nicht, wie kannst du das ändern? - Regelmäßige Trainings:
Setze auf kontinuierliches Lernen. Schulungen und Workshops zum Thema Unconscious Bias helfen nicht nur dir, sondern auch deinem Team, diese Thematik besser zu verstehen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. - Mentoring-Programme:
Unterstütze durch Mentoring besonders diejenigen, die von Biases betroffen sein könnten. Ob Frauen in Führungsrollen oder Minderheiten – Mentoring bietet ihnen eine zusätzliche Plattform, um sich zu entfalten und stärkt das gesamte Team. - Feedback-Kultur etablieren:
Ermutige dein Team, offen Feedback zu geben. Eine offene Feedback-Kultur fördert das Bewusstsein und ermöglicht es allen, Unconscious Biases anzusprechen und gemeinsam daran zu arbeiten.
Überwindung beginnt mit Bewusstsein und bewusster Veränderung. Frage dich jeden Tag: Was kann ich heute anders machen, um fairer und inklusiver zu handeln? Es sind diese kleinen Schritte, die langfristig den Unterschied ausmachen.
Unconscious Biases zu überwinden, ist ein fortlaufender Prozess. Mit diesen Strategien kannst du beginnen, die Auswirkungen deiner unbewussten Vorurteile zu minimieren und eine Kultur der Offenheit und Fairness in deinem beruflichen Umfeld zu fördern.
Fazit – Nutze deine Reflektion und Rolle als Führungskraft, um Biases auch im Arbeitsalltag aufzuzeigen und zu minimieren
Unconscious Biases sind also nicht nur theoretische Konstrukte, sondern reale Faktoren, die das berufliche Fortkommen und die Chancengleichheit beeinflussen. Wer sich dieser Auswirkungen bewusst wird, kann gezielt Maßnahmen ergreifen, um diese zu minimieren, wie zum Beispiel durch bewusste Entscheidungsprozesse, diverse Teams und regelmäßige Reflexion der eigenen Haltung und Handlungen.
Diese Mythen sind deshalb so gefährlich, weil sie uns in falscher Sicherheit wiegen. Sie verhindern die notwendige Selbstreflexion und die Auseinandersetzung mit den eigenen Vorurteilen, was langfristig sowohl persönliche als auch organisatorische Entwicklung behindern kann. Der erste Schritt zur Überwindung von Unconscious Bias ist das Erkennen und Akzeptieren, dass sie existieren und dass sie jeden von uns betreffen.
Links und Ressourcen:
Hier gehts zur Website von Dorothee Ebert: https://www.dorothee-ebert.com/
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